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2022_07_12 Fuldaer Zeitung
In der Zwischenwelt
Martin Sturm eröffnet den Internationalen Orgelsommer
Von unserem Redaktionsmitglied ANKE ZIMMER
FULDA
Das Auf und Ab der Stimmungen zwischen in sich ruhender Melancho- lie, wildem Routieren der Emotionen und träume- rischer Sehnsucht präg- ten den Auftakt des In- ternationalen Orgelsom- mers. An der Königin der Instrumente im Fuldaer Dom: Martin Sturm.
„Von Traum und Wirklich- keit“ hat der Organist aus Wei- mar sein Konzert überschrie- ben und das Programm ent- sprechend gestaltet. Max Re- ger, Franz Schubert, Jehan Alain, Gustav Mahler und ei- ne eigene Komposition stan- den auf dem Plan, und zwar mit Stücken, die allesamt „das große Dazwischen“ markie-
Das Auf und Ab der Emotionen
ren, wie der 1992 geborene Martin Sturm im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte. Es seien musikalische Zwi- schenwelten und Momente, „in denen man über sich hi- nauswächst“.
Zum Beispiel Reger, dessen op. 46, die „Phantasie und Fu- ge über B – A – C – H“, der Mu- siker mit Präzision und Lei- denschaft zum Auftakt prä- sentierte. Gerne wird der Komponist (1873 – 1916) mit folgendem Satz zitiert: „Bach ist für mich Anfang und Ende aller Musik; auf ihm ruht und fußt jeder wahre Fortschritt.“ Entsprechend auch seine mu- sikalische Verneigung, die Fol- ge von Noten, das Kreiseln um den Namen mitsamt seiner an- und abschwellenden Dy- namik, der Nah- und Fernwir- kung, der Ruhe, der Bewe- gung.
In starkem Gegensatz dazu bot Sturm anschließend seine Bearbeitung von Schuberts Streichquartett Nr. 14 d-Moll, dem Andante con moto, mit dem der Österreicher (1797 – 1828) die Einleitung zu sei- nem Kunstlied „Der Tod und das Mädchen“ umspielte. In der Orgelversion geriet dies zu
So sieht ein Organist nach einem gelungenen Konzert aus: Martin Sturm vor dem Fuldaer Dom, an dessen Orgel er zuvor „das große Dazwischen“ ausgelotet hat. Foto: Anke Zimmer
lyrischer Feinarbeit voller Harmonien, punktueller Töne und einem samtenen, zu- gleich aber dunklen Unter- bau.TrauerkamhierzumAus- druck, aber kein Entsetzen, vielmehr ein sich dem Schick- sals ergebendes weil ohnehin unabdingbares Hinüberglei- ten vom Leben in den Tod.
Eine kalte Dusche war an- schließend das knappe, aber wilde „Litanies“ von Alain (1911 – 1940). Im „Handbuch Orgelmusik“, das im Pro- grammheft des Orgelsom- mers zitiert wird, ist von „Tor- nado“ die Rede; der Begriff er- scheint fast zu schwach für
das gewaltige Donnerwetter, das sich über dem – übrigens zahlreichen – Publikum er- goss. Unspielbar schnell soll der Schluss laut Alain sein, Sturm stellte sich der Aufgabe dennoch und begeisterte.
Eine entrückte, ruhige Pau- se für den Musiker wie die Zu- hörerinnen und Zuhörer gab es bei Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, bevor der junge Organist dann seine eigenen „symphoni- schen Skizzen“ über Georg Trakls Gedicht „Vision der Wirklichkeit“ spielte. In ih- nen arbeitete er das Wechsel- bad der Stimmungen und
Emotionen lebhaft aus – zwi- schen Glockenschlag und be- drohlichem Dröhnen, ver- söhnlichen Klängen und dann wieder tiefschwarz er- scheinenden Untertönen fin- den Traum und Wirklichkeit hier am Ende irgendwie zu- sammen.
Hochzufrieden zeigte Mar- tin Sturm sich nach dem Kon- zert, das er übrigens augen- zwinkernd mit Brahms Wie- genlied als Zugabe ausklingen ließ. Die Gäste, um 17.30 Uhr sanft in die Realität außerhalb des Doms entlassen, dankten es ihm mit vielen lobenden Worten.
Der Kultursommer Main-Kinzig-Fulda wird vom Main-Kinzig-Kreis und Landkreis Fulda getragen.
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