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 2023_07_29 Fuldaer Zeitung JOURNAL (2)
    Zwischen
Glück und
Respekt
„Make Friends AND Art“: Eine Ausstellung als Antwort auf die documenta fifteen
Von
HANSWERNER KRUSE
KLEINSASSEN
In der aktuellen Ausstel- lung „Make Frieds AND Art“ präsentieren 32 Kunstschaffende Gemäl- de, Skulpturen und In- stallationen. Das um- fangreiche Begleitpro- gramm begann mit einer Performance von Malerin Ulrike Kuborn und Musi- kerin Nirit Sommerfeld.
Im dynamischen Tanz um- kreisen sich die Frauen auf der am Boden befestigten, einge- färbten Leinwand. Schubsen und schieben einander, rei- ßen sich los. Gehen in die Ho- rizontale, winden und wälzen sich auf der Unterlage. Umrei- ßen ihre Silhouetten mit Stif- ten. Kämpfe, Annäherungen, Trennungen. Die Performan- ce „Approach / Begegnung“ endet nicht harmonisch, son- dern mit einem Moment der Ruhe.
Die beiden haben „Make Friends AND Art“ exempla- risch ausgedrückt: Sich zu be- gegnen und Freundinnen zu werden, ist ein schwieriger Prozess, kein einmaliger Akt, insbesondere wenn die Deut- sche Kuborn auf die Deutsch- Israelin Sommerfeld trifft. Gleichzeitig ist ihre dramati- sche Begegnung als Kunst- werk festgehalten, das von Kuborn weiterbearbeitet wird. Im Hintergrund hängen zwei ihrer Leinwände mit
Ist das Leben ein Spiel?
dem Titel „Approach“, die ähnlich entstanden.
Nahedieser„bewegtenBil- der“ montierte Udo Breiten- bach um ein Mensch-ärgere- dich-nicht-Spiel vier alte höl- zerne Skulpturen aus unter- schiedlichen Kulturkreisen. Auch diese Figuren scheinen innezuhalten, sich nicht (mehr) zu ärgern. Schließlich ist alles nur ein Spiel, in dem man Revanche fordern und sein Glück aufs Neue versu- chen kann.
Aber ist das Leben ein Spiel? An der Stirnwand des großen SaalsinstallierteRobertKunec seine angekokelten hölzernen Fahnenständer und provo- ziert damit Nachdenken über Fahnen als Symbole. Sie signa- lisieren Zugehörigkeit, Ab-
grenzung oder Widerstand, die Brandspuren verweisen darauf, dass daraus auch Kämpfe und Kriege entstehen.
An der gegenüberliegenden Wand befestigte Roswitha Vogtmann ihre langen, mit freien bildhaften Elementen bemalten Papierbahnen. Sie kopierte keine japanischen Schriftzeichen, sondern ließ sich vom Geist Nippons inspi- rieren, wie es ihr Lehrmeister forderte: Die Lebensenergie solle aus der Körpermitte he- raus beim Ausatmen den Pin- sel führen. Hier in der großen Halle treffen vermischte oder sich beeinflusste Kulturen aufeinander.
Dazwischen erläuterte Ku- ratorin Dr. Elisabeth Heil, die durch die Ausstellung führte, die Idee der Kunststation zur Ausschreibung: Was dürfe man heute noch, wenn alles als kulturelle Aneignung de- nunziert wird? Der „agitatori- sche Begriff“ habe heftige Re- aktionen ausgelöst – aber die Kunstschaffenden selbst seien nicht zu Wort gekommen, hier seien ihre ästhetischen Antworten (wir berichteten).
Am vorderen Eingang zeigt Andreas Arnheim Gemälde von Rappern mit Autos, Kla- motten und Goldzähnen, den Insignien ihres neuen Reich- tums. Er malte sie wie barocke Porzellanfiguren, allerdings mit aktuellen Statussymbo- len.
Der kleine Saal nebenan ist eine „Gruselkammer“ für no- torische Kritiker kultureller Aneignung. Über die Perfor- merin Irena Paskali im afrika- nischen Kleid berichteten wir, ebenso über Gisela Hafer, die exotische Textilien in einem „Mustertuch“ zusammen- führte. Der „Lovewagen“ von Nele Probst ist aus den Kli- schees der Musikindustrie und des Club-Lifestyles zu- sammengestellt.
Wenn man den hinteren Eingang nutzt, gerät man in den „israelischen Bereich“. Der fehlte auf der documenta fifteen, weil Israel in der Ideo- logie des Globalen Südens als Kolonialmacht verschrien ist. Hier trifft man gleich auf „Von dem Land hinab zu gehen“, die hochgebundene riesige Kaktusfeige aus Aluminium der Israelin Michal Fuchs. Da- runter ein Sandhaufen, der die palästinensische Wüste versinnbildlicht. Kritisch weist sie darauf hin, sowohl Juden als auch Palästinenser beanspruchten diese Pflanze als Symbol für ihre Wehrhaf- tigkeit.
Danach folgen die „Mau- ern“ von Jens Lorenzen. Als er 1991 nach Berlin zog, gab es dort keine Mauer mehr. Seit- dem gestaltet er eine (bisher)
endlose Reihe von Mauerbil- dern, deren ästhetische An- mutung und Texte sich jeweils in der nächsten Arbeit fortset- zen. Für die Kunststation stell- te er fünf Gemälde aus seiner Israel-Serie zusammen.
Wie immer kann man als Besucher alle Arbeiten einfach nur auf sich wirken lassen. Je- doch die letzten beiden Bei- spiele machen deutlich: Ein Großteil der Objekte stellt sehrvieleBezügeher.Umvie-
le Werke (besser) zu verstehen, sollte man den ausgezeichne- ten Katalog als PDF downloa- den oder für zwei Euro kaufen. Darin heißt es am Schluss der Einleitung: „Vielleicht sind es die Kunstschaffenden in aller Welt selbst, die jeweils res- pektvoll und frei von Berüh- rungsängsten mit Unbekann- tem umgehen, für ihr kreati- ves Tun Neues entdecken und beides können: Make Friends ANDArt.“
 Die Bilder
Titelseite: Roswitha Vogtmann,
„Ohne Titel“ (freie Kalligraphie).
Diese Seite oben: „Geborstener Stern“ von Elisabeth Rößler. Unten links:
Das Manifest für die Kunststation von Jo- nathan Meese. Rechts: „Von dem Land hi- nab zu gehen“ von Michal Fuchs.
Fotos: Hanswerner Kruse,
Brigita Kasperaité
 2JouJronuarlnal THEMA Samstag, 29. Juli 2023
Der Kultursommer Main-Kinzig-Fulda wird vom Main-Kinzig-Kreis und Landkreis Fulda getragen.
Kontakt: Andrea Sandow · c/o Main-Kinzig-Kreis · Barbarossastraße 24 · 63571 Gelnhausen · Telefon 06051 8514218 Birgit Büttner · c/o vhs Landkreis Fulda · Wörthstraße 15 · 36037 Fulda · Telefon 0661 60061640
































































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