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 2023_08_12 HANAUER ANZEIGER
  LOKALES
Das Gut Hof Trages galt zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Rückzugsort der Romanti- Heute finden sich vornehmlich Golfer, Besucher des Restaurants und eines Kosmetikstu- ker. Seit dem 18. Jahrhundert gehört es der Familie von Savigny. FOTOS: DETLEF SUNDERMANN dios sowie die Besucher der Sommerlichen Musiktage auf Hof Trages.
Wo einst die Romantiker ihr Idyll fanden
Eine Führung durch Hof Trages mit einem Einblick in die spannende Historie
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     VON DETLEF SUNDERMANN
Freigericht – Das Wandbild mit der grau in grau gehalte- nen Szene der hochmittelal- terlichen Dichterkrönung sollte vermutlich eine Huldi- gung an die Gäste sein, die in diesem Zimmer zeitweilig wohnten. Die Liste der Perso- nen, die im Herrenhaus von Hof Trages zu Beginn des 19. Jahrhunderts logierten, liest sich wie ein Who-is-who der Heidelberger Romantik. Clemens Brentano und Achim von Arnim, die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, die Dichterinnen Bettina Brentano und Caroline von Günderode. Ob die einstigen Bewohner die „poeta laurea- tus“ angenommen hätten, wenn sie denn nicht bereits 1806 eingestellt worden wä- re? Am Rande: Goethe jeden- falls lehnte – wie andere Schriftsteller auch – dieses Ehrungsrelikt einer herr- schaftlicher Institution ab.
Geschichte des Hofgutes begann im 9. Jahrhundert
Das Gut, einst an der Bir- kenhainer Straße gelegen, ei- ner einstigen Heer- und Han- delsroute, gilt als ein bedeu- tender Treffpunkt und Rück- zugsort der Romantiker. Brentano soll in dem Dichter- zimmer auch sein Märchen „Gockel, Hinkel und Gacke- leia“ geschrieben haben. Als Handlungsort wird die Klos- terruine im Wolfgänger Wald angenommen. Ein Ort der Dichter und Denker ist Trages heute nicht mehr. Dort finden sich nun vor- nehmlich Golfer, Besucher des Restaurants und eines Kosmetikstudios ein. Beim Anlegen des seinerzeit um- strittenen 18-Loch-Platzes in den 1990er Jahren wurde so- gar der historische Handels- weg um 1000 Meter verlegt, damit Wanderer von fliegen- den Hartgummibällen unbe- schadet bleiben, heißt es. Für Musikfreunde ist Trages seit 25 Jahren eine wichtige
Lauschige Plätze vor dem noch bewohnten Schloss.
Auch im Günderode-Haus sollen die Dichter damals ein- quartiert worden sein.
In der Kapelle konnten die Gäste der Sommerlichen Mu- siktage zwei Konzerte genießen.
Der Gutshof ist heute ein Restaurant.
Das Wandbild im Dichterzimmer des Herrenhauses soll vermutlich an die namhaften Gäste erinnern.
Eine Madonna-Figur ziert den üppig grünen Schlossgar- ten, der mit seinen Baumbeständen viel Schatten bietet.
dem mittlerweile in die Land- schaft eingewachsen wirken- den Günderode-Haus, in dem die Dichter des Öfteren quar- tiert haben sollen, erhält in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein neues Zen- trum, das Schloss samt der Kapelle mit der Gruft. Die Neubauten wurden unter dem Einfluss des seinerzeit vorherrschenden Historis- mus’ errichtet. Das Neoba- rock nimmt das Barock der beiden Häuser am Wirt- schaftshof auf. Das bewohnte Schloss bildet seit 2018 die Kulisse der Musiktage, die zu- vor ihre Bühne im Wirt- schaftshof des Guts hatten.
Seit 25 Jahren wichtige Adresse für Musikfreunde
Die nun zu Ende gegange- ne 25. Spielzeit stimmt den Förderverein zufrieden, heißt es vom Vize-Vorsitzenden Helmuth Smola auf Anfrage dieser Zeitung. Die beiden Konzerte in der Kapelle seien mit jeweils 100 Besuchern – mehr passen nicht hinein – ausverkauft gewesen. Die drei großen Aufführungen aus Klassik und Jazz im Frei- en vor dem Schloss seien mit jeweils rund 600 Gästen ebenfalls sehr gut besucht worden. „Zum Jubiläum gab es zudem ein Wandelkonzert mit mehreren musikalischen Stationen“, so Smola. Auch hierbei sei die musikalische Vielfalt nicht zu kurz gekom- men. „Wir haben vor 25 Jah- ren mit einem Konzert ange- fangen, mittlerweile dauert die Spielzeit eine Woche. Überdies kommen Gäste nun auch aus der weiteren Umge- bung“, sagt Smola, der die Sommerlichen Musiktage von Anfang an begleitet hat.
Weitere Informationen
Führungen zu den Orten des Romantikerkreises auf Hof Trages auf Anfrage beim Heimat- und Ge- schichtsverein Freigericht, Horst Soldan, 􏰀 06055 3737.
       Adresse. Ein guter Anlass ist das für den Freigerichter Ge- schichtsverein, Besucher ei- nen Einblick in die Historie und in einige Räumlichkei- ten des Gutes zu geben, des- sen wechselvolle Geschichte im 9. Jahrhundert mit einer Rodung für eine Siedlung be- gann.
Seit dem 18. Jahrhundert befindet sich das Gut im Be- sitz der Familie von Savigny. Warum dieser Ort, umgeben
von Wald und Feldern zwi- schen den Dörfern Somborn, Albstadt und Oberrodenbach, zu einem Anziehungspunkt für die Romantiker wurde, lässt sich mit der Person Friedrich Carl von Savigny er- klären, dem späteren Rechts- gelehrten und preußischen Minister. Während seines Studiums in Marburg und über Bekannte entwickelten sich früh Kontakte etwa zu Günderode, von Armin oder
Brentano. Trages lag idyl- lisch, aber war anders als heute kein Platz für gepflegte Freizeitgestaltung. Dort be- stimmte noch die Landwirt- schaft den Betrieb, die für ih- re Zeit als überaus fortschritt- lich beschrieben wird.
Der Schriftstellerkreis bil- dete sich auf Trages auch we- gen zweier Gemeinsamkei- ten, wie Horst Soldan be- merkt, seit drei Jahrzehnten Vorsitzender des Freigerich-
ter Geschichtsvereins. „Sie waren alle um die 27 Jahre alt und Teil- oder Vollwaisen“, heißt es. Das galt auch für Friedrich Carl von Savigny, der im Alter von 13 Jahren zum Waisen wurde und des- sen elf Geschwister bereits früh verstarben. Das Gut erb- te er vom Vater, der Gehei- mer Regierungsrat beim Isen- burger Fürsten war.
Der Hof Trages, den die Ro- mantiker kannten, etwa mit
Der Kultursommer Main-Kinzig-Fulda wird vom Main-Kinzig-Kreis und Landkreis Fulda getragen.
Kontakt: Andrea Sandow · c/o Main-Kinzig-Kreis · Barbarossastraße 24 · 63571 Gelnhausen · Telefon 06051 8514218 Birgit Büttner · c/o vhs Landkreis Fulda · Wörthstraße 15 · 36037 Fulda · Telefon 0661 60061640





































































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